Bettina Michel, die 49-jährige Tochter von Rudi Assauer, schreibt über Höhen und Tiefen, über ängstliche und glückliche Momente im Alltag.
Eine Tochter erzählt, wie das Leben mit dem an Alzheimer erkrankten Papa ist, seit sie ihn vor fast drei Jahren zu sich geholt hat. Erzählt, dass sie immer noch zum Fußballspiel gehen oder zu einer Schlagerparty. Sie berichtet von den Tiefgängen der ersten Monate des Zusammenlebens, den Tagen, an denen er nicht zur Ruhe kam und stundenlang rastlos durch die Wohnung lief, schildert seine Panikattacken und ihre eigene Hilflosigkeit. Dann wiederum spiegelt sich helle Freude in ihrem Bericht, wenn der Vater gut dabei ist, endlich mal wieder so richtig motzt und so ist, wie man ihn kennt – den Rudi Assauer.
„Seit Papa bei mir wohnt, ist jeder Tag eine Wundertüte“, schreibt Bettina Michel anstelle einer Widmung in ihrem Buch über das Leben mit ihrem Vater. Der Titel ist schlicht wie vielsagend: „Papa, ich bin für dich da“. Das 223 Seiten starke Erstlingswerk der 49-Jährigen, in Zusammenarbeit mit ihrer Freundin Eva Mohr entstanden, erscheint am Freitag im Handel. Das Buch versteht sich auch als persönlicher Ratgeber für Angehörige von Demenzkranken mit einem umfangreichen Serviceteil, wichtigen Anlaufstellen und Adressen.
Doch allein ihre ganz persönliche Beschreibung des Alltags mit Papa Rudi macht dieses Buch lesenswert. Die Episoden, die dem Leser das Schalke-Urgestein, den Macho, diesen Typ mit Ecken und Kanten, den Freund klarer Ansagen auf eine sehr ehrliche Weise vorstellen. Bettina Michel schildert das Zusammenleben mit allen Höhen und Tiefen, beschreibt die Situationskomik ihres zuweilen trickreichen Umgangs mit der Krankheit, ihren Stolz, dass der Kämpfer Rudi Assauer der Krankheit schon so viele Jahre abgetrotzt hat. Und dann den erschreckenden Zustand, in dem sich ihr Vater befand, als sie ihn im Dezember 2011 bei sich aufgenommen hatte. Abgemagert, hängende Schultern, regelrecht tote Augen. Aus diesem Tal ist er längst heraus.
„Die Krankheit ist wie eine Reise rückwärts durch das Leben“, erzählt die Autorin im Gespräch mit der WAZ. „Bei meinem Vater ist es der Fußball, der sein Leben ist.“ Wenn er also Strümpfe anziehen soll, aber gerade vergessen hat, was das ist, ermuntere sie ihn, die Stutzen anzuziehen. „Das macht er dann.“ Bettina Michel lacht herzhaft. Und liefert gleich noch ein Beispiel. „Wenn er nicht schlafen will, sage ich: ,Ich sag’s dem Trainer’ oder: ,Dann kannst du morgen nicht spielen.“ Das funktioniere. Geduld, sagt sie, sei ganz, ganz wichtig.
Diese Geduld hatte auch Sabine Söldner, langjährige Sekretärin und Wegbegleiterin Assauers, mit ihrem Chef. Auch sie kommt im Buch vor, beschreibt behutsam, wie sie 2004 die ersten kleinen Hinweise bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Hier vergaß er einen Termin; dort sprach er sie mit Simone an. Weil er da noch mit der Thomalla zusammen war. Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis sie erfuhr: Rudi Assauer hat Alzheimer. Er selbst trug, daran erinnert das Buch, das Wissen schon länger mit sich herum, dass „seine Birne verrückt spielt“, wie der 70-Jährige es selbst einmal formulierte.
„Ich habe das Buch gerne geschrieben“, sagt Bettina Michel. „Mein Appell lautet: Lasst die Demenzkranken in der Familie. Familie und Fürsorge machen so eine Krankheit erträglicher.“ Natürlich, räumt sie im Gespräch ein, ist sie nicht allein. „Familie und Freunde tragen das mit uns.“ Es hätten sie schon viele Leute gefragt, Bettina, wie schaffst du das? „Ich sage dann: Fragt doch mal eine allein erziehende Mutter, wie die das schafft.“ Und wieder lacht sie. Weil auch das Lachen wichtig ist und hilft.
Freude über jeden guten Tag des Vaters
Neben den Schilderungen des Zusammenlebens mit dem kranken Rudi Assauer liefert Bettina Michel auch einen Einblick in das früher nicht immer leichte Vater-Tochter-Verhältnis. Vor diesem Hintergrund macht sie dem Leser gleichzeitig verständlich, wie glücklich sie heute ist, diese durch die Krankheit so eng gewordene Beziehung zu haben. Und sich mit dem Vater über jeden guten Tag zu freuen, den er erlebt. „Besiegen kann er die Krankheit nicht. Aber er ist trotzdem schon ein kleiner Sieger, wenn man bedenkt, dass er schon Anfang 2006 die erste Diagnose hatte“, sagt sie.